Für diese Charakterisierung gibt es nach der EMV-Norm für IC (IEC 62132) drei typische Messverfahren: die DPI- (Direct Power Injection), die TEM-Cell-Methode (Transverse Electromagnetic Cell) und die Beaufschlagung mit einer Streifenleitung (IC Stripline).
Die DPI-Methode beruht auf der leitungsgeführten Einkopplung von Störleistung in den IC. Bei der TEM-Cell-Methode oder der IC Stipline wirkt das sich innerhalb einer definierten Zelle ausbreitende elektromagnetische Feld direkt auf die Oberfläche des ICs ein.
In diesem Artikel wird auf die DPI-Methode näher eingegangen. Weiterhin werden Einschränkungen erläutert, die eine Erweiterung der DPI-Methode notwendig machen.Aus der erweiterten Methode gewinnt man EMV-Parameter, welche die Störfestigkeit des ICs beschreiben. Die gewonnenen EMV-Parameter sind für den IC-Anwender die Grundlage für die Auswahl des ICs in der Elektronik und sie dient als Basis für das EMV-Design der Flachbaugruppe.
Des Weiteren dient die Analyse der EMV-Parameter dem IC-Hersteller zur Eingrenzung und Beseitigung von Schwachstellen im IC.
Im Artikel wird als praktisches Beispiel ein LIN-Transceiver mit der erweiterten DPI-Methode untersucht.
Weiterentwicklung der DPI-Testmethode
Zur Störfestigkeitsbewertung von ICs hat sich die DPI-Methode nach der IEC 62132-4 (Abbildung 1) in der Praxis bewährt.
Dabei wird leitungsgebunden HF in den einzelnen Pin des ICs eingekoppelt. Der HF-Strom fließt aus einem Leistungsverstärker über eine 50 Ohm Leitung und einen Koppelkondensator in den entsprechenden Pin. Die Intensität der HF-Störung wird über die mit Richtkopplern gemessene Vorwärtsleistung bestimmt. Wenn z.B. eine HF bedingte Erwärmung des ICs seine Funktion beeinträchtigt, ist die Leistung die richtige physikalische Bewertungsgröße.
Andere HF-Beeinflussungsvorgänge können aber unabhängig von der eingespeisten Leistung sein. Als Beispiele sind da das Stehenbleiben eines Oszillators oder die Demodulation in einem Operationsverstärker, einem Transistor oder einer Diode zu nennen. Diese Beeinflussungsmechanismen sind nur im geringen Maße von der im IC umgesetzten Leistung abhängig. Vielmehr werden diese Vorgänge durch grundlegende physikalischen Größen wie HF-Strom oder HF-Spannung erzeugt (Beispiel: Demodulation des HF-Stromes). Auch in anderen Bereichen der EMV-Prüfungen, wie z.B. bei Burst- oder ESD-Tests, ist die Störspannung bzw. der Störstrom die Größe, die den entsprechenden Störvorgang im Prüfling antreibt. Ein hoher Strom oder eine hohe Spannung ist nicht zwangsweise mit hoher Leistung verbunden.
Wenn die Halbleiter getestet werden, ist die Anpassung schaltzustandsabhängig. Des Weiteren kommt die Schaltflanke hinzu, die ihren eigenen Fehlanpassungsverlauf besitzt. In der mittelwertbildenden Leistungsmessung Pvor, Prück sind entscheidende Systeminformationen, die mit den Größen u(t) und i(t) verbunden sind, nicht enthalten. Die Zeitverläufe von HF-Strom und -Spannung sind aber für die Gewinnung neuer Erkenntnisse, wie die Aufdeckung von Schwachstellen im IC und der Organisation von Gegenmaßnahmen im IC-Design sowie bei der Flachbaugruppenentwicklung erforderlich.
Messung der Beeinflussung mit Strom und Spannungsmesser
Der Ohmsche Widerstand eines µC-Stromversorgungspins ist in der Regel klein. Dieser kann im Bereich von Milliohm bis Ohm liegen. Im IC kann eine Kapazität von einigen nF integriert sein, die bei 100 MHz oder höheren Frequenzen ebenfalls Impedanzen im Ohm-Bereich liefert. Die Leitungsinduktivitäten des ICs bewirken ähnliche Werte. Daraus ergibt sich, dass der Innenwiderstand des ICs sehr niederimpedant und damit wesentlich kleiner als die 50 Ohm Quelle des Leistungsverstärkers sein kann. Das bedeutet, dass der Leistungsverstärker auf Kurzschluss arbeitet und dann seinen maximalen Strom liefert. Auf Grund des eingespeisten Stromes wird der IC in seiner Funktion beeinflusst, am Leistungsmesser werden aber nur wenige Milliwatt angezeigt und damit wird der IC nach der Leistungsbewertung als viel zu schwach und falsch eingestuft.
Die Impedanz von anderen IC-Pins kann ebenfalls zwischen Milliohm und Kiloohm liegen. Für IC-Impedanzen < 50 Ω nähert sich das System dem Kurzschluss, bei > 50 Ω nähert es sich dem Leerlauf. Eine Festigkeitsprüfung mit quasi Leerlaufspannung, wie es in der Hochspannungstechnik üblich ist, ist mit HF-Einkopplung in den IC nicht möglich. Die Strom- und Spannungsverhältnisse am Pin ergeben sich aus dem Gesamtsystem und müssen direkt am Pin gemessen werden (Abbildung 2).
Durch diese elektrisch kurze Messanordnung umgeht man die messtechnischen Schwierigkeiten, welche durch eventuell stehende Wellen auf der Leitung zum Leistungsverstärker entstehen.
Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass der HF-Strom und die HF-Spannung die entscheidenden Größen für die Bewertung von ICs sind.
Die Abbildung 3 zeigt eine Messanordnung (im weiteren Text als „Probe der Familie P500“ bezeichnet).
Die HF-Störungen aus dem Leistungsverstärker fließen durch die angeschlossene Probe der Familie P500 in den zu beurteilenden Pin des ICs. Des Weiteren ist in dieser Probe ein Strom- und Spannungsmesser integriert, mit dem an einem Oszilloskop die Parameter Strom, Spannung und Phasenwinkel gemessen werden können. Daraus können z.B. Leistung, Impedanz und weitere Parameter des Prüflings errechnet werden.
Aus den gewonnen Parametern können genauere Rückschlüsse auf die EMV eines ICs in der Elektronik abgeleitet werden. Treten z.B. Funktionsfehler bei hohen Stromwerten auf, sind diese oft magnetisch verursacht – bei großen Spannungswerten wird eine kapazitive Verkopplung die Ursache sein. Die mit den neuen P500 Messverfahren gemessenen Blindströme werden bei einer üblichen Leistungsmessung nicht erfasst. Detaillierte physikalische Erkenntnisse bleiben dadurch verborgen.
Untersuchungen an LIN-Transceiver
Mit dem den Probes der Familie P500 zugrundeliegenden Messsystem kann man die HF-Ersatzschaltung eines einzelnen IC-Pins über die Bestimmung der Ersatzelemente zuordnen. Die Impedanz des Pins ist aber nicht nur abhängig vom Schaltzustand des Signals sondern auch von der HF-Generatorspannung. Mit der Probe P500 wird ein kleiner HF-Pegel in den Pin eingespeist. Diese Störungen müssen aber so niedrig sein, dass z.B. noch keine Schutzdioden öffnen und damit keine zusätzlichen Stromwege und Elemente wirksam werden. Aus den im Oszilloskop gemessenen Werten U, I, und Φ kann der Wirk- und Blindwiderstand des ICs frequenzabhängig bestimmt werden. Wenn kein dominanter kapazitiver oder induktiver Anteil vorliegt, kann durch eine Berechnung die Aufspaltung in XC und XL erfolgen. Dies erfordert Messungen bei unterschiedlichen Frequenzen.
Aus der Analyse von HF/NF- Strom und -Spannung am IC Pin können Schwachstellen im IC analysiert werden. Durch die HF-Spannung können beispielsweise Diodenstrecken öffnen und damit ändert sich die Impedanz.
Eine Vielzahl von Analysen ist mit dem P500 Messsystem sinnvoll. Man hat z.B. die Möglichkeit, sich den nicht sinusförmigen Zeitverlauf von HF-Strom und –Spannung anzuschauen (Abbildung 4).
Wenn die Flussspannung von internen Dioden erreicht wird, öffnen sich zusätzliche Stromwege. Die Impedanz des ICs verringert sich, der Strom steigt und die Spannung kann begrenzt werden (Netzrückwirkung). Mit dem Öffnen der Diode können im IC neue Störpfade wirksam werden. Der über die Diode fließende Strom tritt in weitere Netzwerkabschnitte ein und wird dort als gleichgerichteter Strom wirksam. Diese Ströme oder Spannungen überlagern sich den Nutzsignalen, z.B. dem Ansteuer- oder Regelsignal des LIN Treibers und führen den FET in den gesperrten, geöffneten oder einen undefinierten Zustand. Aus der Analyse von Strom und Spannung im Zeitbereich lassen sich weitere IC-interne Wirkmechanismen aufklären. Es werden zielgerichtete Verbesserungen am IC möglich und Gegenmaßnahmen für die Anwendung ableitbar.
Ableitungen für die Baugruppenentwicklung
Wenn an diese empfindlichen Pins, z.B. über interne Koppelwege im Layout, ein HF-Strom eingekoppelt wird, kann ein empfindlicher IC beeinflusst werden. Beispielsweise fließt die HF vom KFZ-Boardnetzstecker über entsprechende Leitungsverbindungen an den Vbat-Pin des LIN-Transceivers. Ebenso kann über das GND-System, insbesondere im segmentierten GND von 2-Lagen Flachbaugruppen, der HF-Strom an den GND-Pin gelangen. Durch ein entsprechend flächiges GND-System kann dieser Koppelweg blockiert werden. Ebenso sind an Vbat die Abblock-Kondensatoren entsprechend auszulegen. Empfehlenswert ist eine Filterstruktur, die aus einer Induktivität und zwei Filterkondensatoren (PI-Filter) besteht. Durch die Filterstruktur wird verhindert, dass der HF-Strom an den sensiblen Pin gelangt. Wenn eine hohe Empfindlichkeit des Vbat-Pins bekannt ist, kann eine solche Maßnahme von vornherein mit entsprechender Sorgfalt vorgesehen werden.
Wenn eine Baugruppe mit LIN-Transceivern in der Praxis entstört wird, ist es schwierig herauszufinden, über welche Pins der IC letztendlich beeinflusst wird. Unübersichtliche Verhältnisse entstehen, wenn der IC mehrere empfindliche Pins besitzt, die am Fehlverhalten beteiligt sind. Einzelne Maßnahmen werden in ihrer Wirksamkeit von Kopplungen zu anderen Pins überdeckt. Wenn die empfindlichen Pins des ICs bekannt sind, können die Gegenmaßnahmen sicher an die richtige Stelle platziert werden. Das kann bereits im Vorfeld der eigentlichen EMV-Arbeit geschehen. Die ICs werden schneller und einfacher beherrschbar.