Potentielle EMV-Probleme von Mikrocontrollern in der Praxis werden durch entsprechende EMV-Prüfungen aufgedeckt. Ein besonderes Problem für Schaltungen mit Mikrocontrollern sind ESD-Entladungen. In der Praxis können sie auf vielfältige Art und Weise erzeugt werden. Zum Beispiel durch die elektrostatische Aufladung von Personen oder durch Reibungselektrizität an Transportbändern, Verpackungsmaschinen u.s.w.. Die Widerstandsfähigkeit der Elektronik wird mit dem Prüfverfahren nach IEC 61000-4-2 / HMM vor dem Praxiseinsatz des elektronischen Gerätes überprüft. Die die Störfestigkeitsprobleme treten zuerst bei der Prüfung nach IEC 61000-4-2 / HMM auf. Im folgenden Fachbreitrag wird ein Störfestigkeitsproblem eines Mikrocontroller Boards an einem Beispiel beschrieben. Das beschriebene Störfestigkeitsproblem wurde vor dem Praxiseinsatz bei einer ESD-Prüfung aufgedeckt. Weiterhin werden verschiedene Lösungswege zur Entstörung und Härtung des Mikrocontroller Boards aufgezeigt. Das hier beschriebene Problem an Quarz und PLL von Mikrocontrollern tritt in der Praxis unabhängig vom Typ und Hersteller des Mikrocontrollers sehr häufig auf.
Auf einem Board mit einem Mikrocontroller tritt ein EMV-Problem auf. Bei Entladung eines ESD Generators auf eine Metallstrebe fällt der Mikrocontroller des Boards aus (Absturz). Die Metallstrebe ist Teil des Gehäuses in dem sich das Mikrocontroller Board befindet. Das Fehlerbild ist der Absturz des Mikrocontrollers und nachfolgend ein Reset (Absturz-Fehler). Als Fehlerindikator wird eine Leuchtdiode des Mikrocontroller Boards verwendet, die ein vom Mikrocontroller gesteuertes Blinksignal abgibt (Lebenszeichen-LED). Das Blinksignal dient als Lebenszeichen des Mikrocontrollers. Der Absturz des Mikrocontrollers entsteht bereits bei einer einzelnen ESD Entladung des ESD Generators.
Die beaufschlagte Metallstrebe befindet sich in der Nähe des Mikrocontrollers im Bereich der PLL- und Quarzschaltung. Bei Beaufschlagung einer anderen Metallstrebe konnte der Fehler nicht nachgewiesen werden. Dieser Zusammenhang lässt den Verdacht aufkommen, dass die Quarz- oder PLL-Schaltung des Mikrocontrollers durch den ESD-Vorgang beeinflusst wird (Bild 1). Durch den ESD-Strom wird ein Magnetfeldwirbel um die Metallstrebe erzeugt, der die Leitungsnetze der Quarzschaltung und PLL-Schaltung durchsetzt. Dadurch können zwei verschiedene Fehler entstehen.
- Quarzschaltungen haben durch Störungen die Besonderheit, für einige 10 µs stehen zu bleiben. Im Extremfall kann der Quarz für 1 Millisekunde stehen bleiben. In unserem Beispiel ist die Störungsursache die Spannungsinduktion in den Quarzleitungen durch das Störmagnetfeld.
- Im PLL-System ist die PLL-Versorgung, Vss-PLL und Vdd-PLL, die Schwachstelle. Das PLL-System rastet bei Störungen meist in die maximal mögliche PLL-Frequenz ein. Diese ist höher als die zulässige Arbeitsfrequenz des Mikrocontrollers. Dadurch stürzt der Mikrocontroller ab.
Der Absturz des Mikrocontrollers wird an dem Aussetzen der Lebenszeichen-LED erkannt. Die Beeinflussung der Quarzschaltung bewirkt, dass der Mikrocontroller meist nur für einige 10 µs stehen bleibt. Im besonderen Fall kann der Mikrocontroller auch für einige Millisekunden stehen bleiben (Quarz-Fehler). Dieser Fehler führt dazu, dass alle zeitsynchronen Prozesse des Mikrocontrollers fehlerhaft werden. Insbesondere Datenübertragungssysteme oder USB oder LAN-Netzwerke. Auch einfache UART-Systeme sind davon betroffen. Das Stehenbleiben des Mikrocontrollers äußert sich darin, dass einzelne Datenbits ausfallen. Bei USB oder LAN wird das durch Fehlerkorrektur behoben. Bei häufigen Störungen verlangsamt sich die Datenübertragung durch die ständige Fehlerkorrektur/ Wiederholung. Bei sehr hoher Störeinwirkung kann der link des Übertragungssystems abgeworfen werden. Im Beispiel (Bild 1) ist ein USB zu UART Konverter an den Mikrocontroller angeschaltet. Das durch Quarzstörungen bedingte Stehenbleiben des Mikrocontrollers wird im UART-System Störungen hervorrufen, die per USB in den PC übertragen werden und dort visualisiert werden können. Damit ist eine Fehleranalyse der Quarzbeeinflussung möglich. Bei der ESD-Prüfung des Mikrocontroller Boards konnten diese Datenfehler im PC nachgewiesen werden. Das heißt, bei ESD-Beschuss bleibt wahrscheinlich der Quarz des Mikrocontrollers für einige 100 µs stehen. Mit entsprechender Hardware, Firmware und Software können wenn vorhanden, entsprechende Fehlerregister im Mikrocontroller ausgelesen werden. Damit kann ermittelt werden, ob Quarz- oder PLL-Fehler erzeugt wurden. Wenn das zutrifft, bestätigen sich die anfänglichen Überlegungen zur Fehlerursache (Quarz- und PLL-Fehler). In jedem Fall, auch wenn die Register nicht ausgelesen werden können, ist eine Untersuchung des Mikrocontroller Boards notwendig.
Fehleranalyse auf dem Board
Um den Verdacht der Beeinflussung des Quarzes und der PLL zu bestätigen, muss eine gezielte Fehleranalyse auf dem Mikrocontroller Board durchgeführt werden. In diesem Fall eignen sich Feldquellen, die lokal Felder entsprechender Feldstärke erzeugen. Diese lokalen Felder müssen den Feldern entsprechen, die bei ESD-Beeinflussung in der Praxis auftreten. In dem Beispiel wurde eine Feldquelle verwendet, die einen Feldstrahl von ca. 4 mm Durchmesser erzeugt. Die Anstiegszeit des durch die Feldquelle abgegebenen Pulses beträgt ähnlich wie bei ESD 1 ns. Die Feldquelle muss in der Lage sein, Pulsspannungen von bis zu 20 V in Leiterschleifen zu induzieren (Bild 2).
Die Feldquelle ist sehr klein und flexibel und wird von Hand über den Mikrocontoller geführt. Dabei wird das Magnetfeld in die angeschlossenen Leitungsnetze, die Pins und das Gehäuse des Mikrocontrollers eingekoppelt. Alle Pins und alle Leitungsnetze und alle Gehäusebereiche werden im ersten Analyseschritt untersucht. Damit wird ausgeschlossen, dass das Fehlerbild in anderen Funktionsbereichen des Mikrocontrollers auftritt. Im nächsten Analyseschritt wird die Feldquelle der Quarz- und PLL-Schaltung genähert. Ein sofortiger Absturz bei sehr kleinen Pegeln ist die Folge (Bild 4). Bei Annäherung an die Leitungen werden meist der Absturz- und der Quarz-Fehler stochastisch ausgelöst. Eine genauere Überprüfung ergab, dass bei Annäherung der Feldquelle an die Quarzschaltung der Absturz- und der Quarz-Fehler auftraten. Bei Annäherung an die PLL-Schaltung trat nur der Absturz-Fehler auf. Damit ist die anfängliche Überlegung der Beeinflussung über das beim ESD-Entladevorgang entstehende Magnetfeld bestätigt. Durch das geschickte führen der Feldquelle können die empfindlichen Leitungsnetze und Pins eingegrenzt werden.
Um die Wirkungskette des Fehlers am Beispiel nachzuweisen, wurde die Metallstrebe getrennt und der ESD-Strom in den auf der Bottom Seite liegenden Bereich der Strebe eingespeist. Der ESD Generator muß dabei waagerecht in die Strebe einspeisen. Damit nicht das Magnetfeld, welches um die Generatorspitze kreist, den Mikrocontroller beeinflusst. Es entsteht kein Magnetfeld auf der Top-Seite des Mikrocontroller Boards. Der Test mit dem ESD-Generator bestätigt den Zusammenhang.
Für die praktische Anwendung ist diese Lösung nicht umsetzbar. Sie dient der Bestätigung der anfänglichen Überlegungen. Durch Layoutveränderungen (Leitungsnetze, Masse) oder zusätzliche Filterelemte können die Fehler nicht behoben werden, da sich die Schwachstelle im Mikrocontroller selbst befindet. Die größten Schleifen, die das Magnetfeld aufnehmen, bildet der Mikrocontroller mit seinen Pins. Wenn durch schlechte Layoutführung noch größere Schleifen auf dem Board existieren, besteht die Möglichkeit, durch Layoutverbesserungen die Störfestigkeit zu erhöhen. Das kann auch der Fall sein, wenn das Massesystem nicht durchgängig unter dem Bereich von PLL und Quarz geführt ist. Durch Schlitze im Massesystem kann Magnetfeld in PLL- und Quarz-Leitungen eindringen. In unserem Beispiel ist das jedoch nicht der Fall. Hier sind nachweislich die Metallstrebe und die Induktionsschleifen die die IC-Pins bilden, die Ursache.
EMV-Maßnahmen zur Lösung der Probleme
Für die Praxis kann man folgende Lösungsmöglichkeiten ableiten:
- Neuplatzierung des ICs auf dem Mikrocontroller Board, um den Abstand der PLL- und Quarzschaltungen zum Befestigungswinkel zu vergrößern.
- Änderung der mechanischen Konstruktion. Verschieben des Befestigungswinkels in einen unkritischen Bereich.
- Verwendung eines Winkels aus nicht leitfähigem Material (Kunststoffwinkel).
- Formung des Kunststoffgehäuses in der Art, dass der Befestigungswinkel für die Spitze des ESD-Generators nicht mehr zugänglich ist.
- Abschirmung des Schaltungsteiles.
- Verwendung eines geeignet robusten ICs.
Es ist zu empfehlen, die Wirkung der angewendeten EMV-Maßnahmen an einem Testmuster nachzuweisen. Dabei sollte man eine sofortige Neuentflechtung des Mikrocontroller Boards vermeiden. Vielmehr sollte das bestehende Board so umgebaut werden, dass sich eine Wirkung der oben genannten Maßnahmen abschätzen lässt.
Die Beeinflussung der Quarz- und PLL- Schaltung eines Mikrocontrollers kann in der Praxis über Konstruktionsteile erfolgen.
- In der Praxis können Gerätegehäuse Metallstreben enthalten. Wenn eine solche Metallstrebe in der Nähe des Quarz- und PLL-Bereiches des Mikrocontrollers angeordnet ist, können bei ESD-Entladungen in das Gehäuse die beschriebenen Fehler entstehen.
- Ein auf dem Mikrocontroller Board aufgebrachter RJ45 Steckverbinder für LAN-Verbindungen kann ESD-Strom auf das Mikrocontroller Board leiten. Das dabei entstehende Magnetfeld kann in zum Beispiel analogen Weise das Quarz- oder PLL- System des Mikrocontrollers zum Ausfall bringen. In diesem Fall hilft die galvanische Trennung des LAN-Systems nicht, da das Magnetfeld über die Trennstrecke hinweg zum Mikrocontroller gelangen kann.
- Beliebige andere Steckverbinder (USB, Board zu Board-Verbinder) können die Fehler bewirken.
- Durch das Mikrocontroller Board können Schrauben oder Dome hindurch geführt werden.
- Am Mikrocontroller Board können sich Befestigungswinkel befinden.
Das effiziente Entstören und Härten von Baugruppen mit Feldquellen erfordert beim Entwickler EMV-Erfahrung und praktische Übung. Des Weiteren ist fundiertes Wissen über EMV-Wirkzusammenhänge hilfreich. Wenn häufiger Lösungen für EMV-Probleme nötig sind, lohnt die Teilnahme an einem speziellen EMV Experimentalseminar. In besonders schwierigen Situationen kann ein erfahrener EMV-Berater hinzugezogen werden, um zielführend und schnell Fehlerursachen zu finden.